Datenbestand vom 10. Dezember 2024
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aktualisiert am 10. Dezember 2024
978-3-8439-1860-2, Reihe Literaturwissenschaften
Thilo Leclère Silene. Weisheit, Sprichwort, Körper – Figurationen und Zusammenhänge in frühneuzeitlicher Literatur
421 Seiten, Dissertation Universität Köln (2014), Hardcover, A5
„Inversus Silenus omnia. Es ist alles umgekehrt.“ S. Francks Wort aus den PARADOXA verleiht der Idee mundaner Pervertierung und Scheinhaftigkeit, die das frühneuzeitliche Denken umtreibt, im Rückgriff auf Platon die Züge eines antiken Dämons. Innere Idealität erscheint, analog zur Fratze des mythologischen Mischwesens, unter der sich im SYMPOSION „Götterbilder“ verbergen, verhüllt in ihren Gegensatz.
Erasmus von Rotterdams literarisch einflussreiche Adaption des platonischen Silens befriedigt Anfang des 16. Jh. ein drängendes Ausdrucksbedürfnis. Sie artikuliert die großen intellektuellen Spannungsbögen einer Schwellenzeit, die sich an Schein und Sein, Weisheit und Torheit, Glaubenssubstanz und Glaubensform, heidnischer Klassik und Evangelium, Ordnung und Verkehrung abarbeitet.
Mit dem grellen Aufleuchten der Körper in der europäischen Frühen Neuzeit treten zugleich Gestalten der (verkehrten) Weisheit ins Schlaglicht. Sie bevölkern ein frühmodernes Neuland der Nahtstellen, dessen Denken vorwärts und rückwärts zugleich strebt. An allen Ecken und Enden eingelassen in die enorm ‚körperbetonte‘ Literatur dieser beispiellos sprichwortbegeisterten Epoche ist – Spruchgut. Ihm misst die humanistische Intelligenz höchste Wahrheitsautorität zu, gelten Proverbien doch als rätselhafte Gefäße „irrdischer vnd ewiger weißheyt“: als Sprachsilene.
Ausgehend von der Konstellation des Silenischen spürt dieses Buch einer charakteristischen Engführung von Weisheits-Repräsentationen, parömial gesteuerten Sprach-Figuren und Körper-Bildern zu silenischen Schreibweisen nach, die die frühneuzeitliche Literatur hervorbringt.
Es gelingt, in Texten wie ULENSPIEGEL oder GARGANTUA ein bestimmendes Erzählprinzip frühneuzeitlicher Literatur nachzuweisen – silenische Narration, die auf der texterzeugenden Mobilisierung metaphorisch stillgestellter Bildmacht beruht: die Silenfigur ‚erzählt‘ Geschichten.