Datenbestand vom 10. Dezember 2024
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aktualisiert am 10. Dezember 2024
978-3-86853-807-6, Reihe Lebensmittelchemie
Daniel Intelmann Molekulare, psychophysikalische und rezeptorbasierte Studien zum Bittergeschmack von Bier
227 Seiten, Dissertation Technische Universität München (2011), Softcover, A5
Der typische Bittergeschmack eines Bieres ist ein entscheidender Qualitätsparameter und wird maßgeblich durch den Zusatz von Hopfen während des Würzekochens bestimmt. Da jedoch während der Bierlagerung komplexe Alterungsprozesse ablaufen, ist das Geschmacksprofil einer stetigen Veränderung unterworfen. Obwohl es bereits zahlreiche Publikationen zu den bitteren Bierinhaltsstoffen und deren Alterungsverhalten gibt, konnten bisher in keiner Studie die zu Grunde liegenden molekularen Ursachen aufgeklärt werden. Ziel dieser Arbeit war es somit, die wichtigsten Bierbitterstoffe zu identifizieren und in Folge deren lagerungsbedingten Abbau auf molekularer Ebene zu untersuchen.
In einem ersten Schritt konnten dabei mit Hilfe einer Geschmacksverdünnungsanalyse die iso- α-Säuren als die wichtigsten geschmacksaktiven Inhaltsstoffe des Bieres bestätigt werden. Die folgende psychophysikalische Charakterisierung der sechs quantitativ dominierenden iso-α- Säuren erlaubte einen grundlegenden Vergleich hinsichtlich ihrer Geschmacksschwellenwerte und Dosis-Wirkungs-Kurven. Es zeigt sich hierbei, dass die cis-iso-α-Säuren bitterer als die entsprechenden trans-Isomere sind und dass die Bitterkeit in der Kongenerenreihenfolge co < n < ad zunimmt. Die Charakterisierung über Dose over Threshold (DoT)-Faktoren ergab für das Untersuchungsbier nur bei den cis-iso-α-Säuren Werte > 1, was einem direkten Geschmacksbeitrag anzeigt. Anhand eines Rekombinationsexperimentes mit den iso-α-Säuren konnte jedoch gezeigt werden, dass die Mischung der trans-iso-α-Säuren trotz DoT- Faktoren<1 einen deutlichen Bittergeschmack aufweist und darüber hinaus auch eine additive Verstärkung der Bittere der cis-iso-α-Säuren bewirkt wird. Deren Vorläuferverbindungen aus dem Hopfen, die α-Säuren, weisen ähnliche Geschmacks- schwellenwerte und Bitterintensitäten wie die trans-iso-α-Säuren auf, sind jedoch auf Grund ihrer deutlich geringeren Konzentrationen im Bier nicht in der Lage, einen Geschmacksbeitrag zu leisten. Bei den strukturell verwandten β-Säuren und den prenylierten Flavonoiden ist ebenfalls nicht mit einem Beitrag zur Bittere zu rechnen.
Für die Quantifizierung der Bierbitterstoffe wurde erstmals eine LC-MS/MS Methode unter der Verwendung der Echo-Technik entwickelt. Mit dieser Methode konnte erstmals gezeigt werden, dass jeweils sechs Kongenere der α-, β-und iso-α-Säuren im Bier vorliegen. Darüber hinaus ermöglichte es diese Vorgehensweise, die auf oxidativem Wege aus α- und β-Säuren gebildeten Humulinon- und Hulupon-Kongenere sowie die Hulupinsäure quantitativ zu erfassen. Nach den iso-α-Säuren (Σ ~106 μmol/L) scheinen demnach die Oxidationsprodukte der α- und β-Säuren zu den quantitativ wichtigsten Verbindungen in Pilsener Bieren zu zählen (Σ~6,5μmol/L). Mit Ausnahme von Isoxanthohumol (2,9μmol/L) und den α-Säuren 186 (1,2μmol/L) liegen die Gehalte der weiteren untersuchten Stoffklassen deutlich unter 1 μmol/L. Im Rahmen der Untersuchung der lagerungsbedingten Veränderungen der Bierproben konnte in sensorischen Experimenten bestätigt werden, dass eine signifikante Abnahme der Bittere und die Veränderung der Bitterqualität hin zu einem längeren Nachgeschmack auftritt. Die folgende HPLC-analytische Charakterisierung dieser Proben ermöglichte es, die wichtigsten molekularen Veränderungen zu detektieren. Der stereospezifische Abbau der trans-iso-α- Säuren stellt dabei die quantitativ bedeutsamste Veränderung dar. Mit Hilfe der Umsetzung von Reinsubstanzen in Modellexperimenten konnten erstmals Abbauprodukte isoliert und deren Strukturen mittels NMR-Spektroskopie aufgeklärt werden. Bei den wichtigsten Alterungsprodukten handelt es sich demnach nicht, wie früher vermutet, um Oxidationsprodukte, sondern um die bisher noch nicht beschriebenen tri- und tetrazyklischen Substanzen Tricyclohumol, Tricyclohumen, Isotricyclohumen, Tetracyclohumol und Epitetracyclohumol. Diese fünf Verbindungen repräsentieren dabei etwa 90% des Gesamtabbaus der trans-iso-α-Säuren und sind somit die wichtigsten Abbauprodukte unter typischen Bierlagerungsbedingungen. Auf der Basis von 18O-Isotopenmarkierungs- experimenten, Modellumsetzungen und computerbasierten Simulationen konnte der Reaktionsmechanismus als säurekatalysierte intramolekulare Zyklisierung beschrieben werden. Wie es sich hierbei bereits aus Modellumsetzungen andeutete, lässt sich dafür eine merkliche Abhängigkeit vom pH-Wert beobachten. Selbst bei den relativ geringen Unterschieden zwischen verschiedenen Handelsproben (ΔpH < 0,25) kann nach 8 monatiger Lagerung eine klare Korrelation zum Abbau der trans-Isomere festgestellt werden. Die cis-iso- α-Säuren sind auf Grund der sterischen Ausrichtung der Seitenketten nicht in der Lage eine vergleichbare Reaktion einzugehen, was deren deutlich größere Lagerungsstabilität erklärt. Ein ebenfalls in Modellexperimenten beobachteter oxidativer Abbau der iso-α-Säuren zu den trans- und cis-Alloisohumulonhydroperoxiden und den entsprechenden Hydroxyverbindungen sowie den trans-spezifischen Tricyclohumolactol und Scorpiohumol kommt in authentischen Bierproben keine größere Bedeutung zu, da die Sauerstoffgehalte in Glasflaschen meist vernachlässigbar sind.